11 | 2021Maria Röhreich

Akzeptanz für komplexe Vorhaben durch verständliche Kommunikation

<h1>Akzeptanz für komplexe Vorhaben durch verständliche Kommunikation</h1>

Jeden Tag strömen unzählige Reize auf uns ein, die unser Gehirn verarbeiten und einsortieren muss. Je komplexer eine Information ist, desto schwieriger ist diese Aufgabe. Unser Gehirn hat gelernt, nur relevante Inhalte ins Bewusstsein durchzulassen, wo sie dann überdacht und bewertet werden. Wenn dabei allerdings etwas nicht verstanden wird, kommt es häufig zu Irritation oder Ablehnung. So ist es nicht verwunderlich, dass insbesondere die Ankündigung von großen Veränderungen häufig auf Skepsis oder gar Abwehr stößt. Die Aufgabe von guter Kommunikation ist es, dieser intuitiven Ablehnung so früh wie möglich entgegenzuwirken. Das beste Mittel dafür ist verständliche Kommunikation. Doch wie kann man ein Projekt verständlich aufbereiten, ohne die komplizierten Rechtswege, Konsequenzen und Notwendigkeiten zu erklären? Die Antwort: gar nicht. Und das sollte man auch nicht.

Komplexe Kommunikation als Voraussetzung für Akzeptanz

Denn die Voraussetzung für Akzeptanz und Toleranz für die Veränderung ist Verständnis für diese. Statt also ein Projekt auf das Nötigste zu reduzieren oder gar zu beschönigen, sollte man einzelne Aspekte so erklären, dass sie auch verstanden werden. Es müssen Antworten gegeben werden auf Fragen wie „Warum braucht es das Projekt?“, „Wie wird es ablaufen?“ oder „Welche Vorbereitungen werden getroffen und wie geht es dann weiter?“ Denn werden diese Fragen nicht von den Projektverantwortlichen beantwortet, dann beantwortet sie jemand anderes – im ungünstigsten Fall die Gegenseite.

Vorbild Wissenschaftskommunikation: Vorgänge verständlich kommunizieren 

Die Wissenschaftskommunikation beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie man komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse so vermitteln kann, dass auch Nicht-Wissenschaftler sie verstehen. Die Chemikerin und YouTuberin Mai Thi Nguyen-Kim geht in ihrem YouTube-Kanal MaiLab mit gutem Beispiel voran. Auf unterhaltsame Weise erklärt sie komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge so, dass sie jeder versteht – ohne dabei auf die nötige Tiefe zu verzichten. Sie wehrt sich gegen die Metapher eine Waage, wonach Verständlichkeit immer zulasten von Komplexität geht und umgekehrt. Stattdessen plädiert Mai für ein Zwiebelmodell: auf den äußeren Schichten liegen die oberflächlichen, leicht konsumierbaren Informationen. Hier erreicht man viele Leute, gibt einen Überblick über den Inhalt und holt diejenigen ab, die das Thema interessiert. Je tiefer man in die Schichten der Zwiebel vordringt, umso komplexer und detaillierter werden die Informationen. Natürlich werden in den innersten Zwiebelschichten nur noch wenige Menschen erreicht – dafür aber diejenigen, die es wirklich interessiert.

Komplexe Kommunikation nach dem Zwiebelmodell

Dieses Modell lässt sich nicht nur auf Wissenschaftskommunikation anwenden. Auch ein größeres Bauvorhaben oder der Strukturwandel eines Unternehmens erfordert eine tiefgreifende und zugleich verständliche Öffentlichkeitskommunikation. Denn die beteiligten Akteure sehen häufig zunächst nur verworrene Paragrafen, Eingriffe in ihre gewohnten Strukturen und ein Knäuel aus Einschränkungen und Vorgaben. Je größer das Vorhaben, umso mehr Menschen werden sich dafür interessieren, wenn auch nicht alle im selben Maße. Daher ist es sinnvoll, in der Projektkommunikation auf passende Kanäle zu setzen, um einzelne Aspekte in ihrer Komplexität so abzubilden, wie sie von den Stakeholdergruppen benötigt werden. Dabei muss der gewählte Kanal vor allem eines: den Gewohnheiten und Bedürfnissen der jeweiligen Gruppe entsprechen. Metaphorisch betrachtet, könnte beispielsweise eine Projektwebseite die äußeren Zwiebelschichten abbilden – eine große Anzahl an Menschen hat Zugriff auf einen oberflächlichen Überblick. Die Webseite kann interessierten Bürgern einen ersten Überblick darüber zu geben, welche Baumaßnahme geplant ist, und warum. Hier können die herausragendsten Informationen prägnant zusammengefasst werden, und einzelne Projektbereiche auch schon etwas tiefer erläutert. Doch nicht allen Stakeholdern wird dieser leicht verständliche, aber grobe Überblick reichen. Für Beteiligte aus der Politik beispielsweise sind gezielte Anschreiben ein gutes Mittel, um sie ins Bild zu setzen. Und wer mehr wissen möchte – weil der geplante Bau zum Beispiel direkt hinter seinem Garten stattfindet – für den eignen sich Bürgerinformationsveranstaltungen, bei denen die Teilnehmer ins persönliche Gespräch mit Projektverantwortlichen kommen können. Dabei kann thematisch so weit in die Tiefe gegangen werden, wie es das jeweilige Anliegen eben erfordert.

Auch im Inneren dieser symbolischen Zwiebel muss natürlich darauf geachtet werden, die Informationen verständlich zu vermitteln. Anschauliche Infotafeln und Grafiken können dabei ebenso helfen wie komplizierte Fachbegriffe vorher zu erklären. Für Oberflächlichkeit ist im Zwiebelinneren allerdings kein Platz mehr – die Menschen, die sich hier informieren, wollen das Projekt nicht nur vom Namen her kennen und einen Überblick erhalten, sondern es verstehen und durchdringen.

Komplex, aber verständlich kommunizieren

Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass in der Projektkommunikation ebenso wie in der Wissenschaftskommunikation gilt: Verständlichkeit sollte niemals zulasten der nötigen Tiefe durch Reduktion von Informationen erzwungen werden. Stattdessen sollten komplexe Sachverhalte auf verständliche Weise kommuniziert werden. Ziel der Kommunikation ist es, den Stakeholdern die Elemente des Projektes in all ihrer Komplexität zu verdeutlichen. Nur so kann das Projekt nachvollzogen werden, wodurch letztendlich die Akzeptanz und Toleranz erreicht wird, die für das reibungslose Gelingen des Projektes notwendig ist.