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12 | 2020Ingo Seeligmüller

Kommentar: Akzeptanz für Energiewende & Klimaschutz entsteht vor der Haustür

<h1>Kommentar: Akzeptanz für Energiewende & Klimaschutz entsteht vor der Haustür</h1>

Die Themen Klimaschutz/Energiewende und Akzeptanz beschäftigten den Deutschen Bundestag in der vergangenen Woche in gleich zweifacher Hinsicht: Zum einen wurde die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in dritter Lesung verabschiedet. Zum anderen erreichte eine Bundestagspetition der Initiative "Klima-Mitbestimmung.JETZT" das notwendige Quorum dafür, dass sich der Petitionsausschuss des Bundestages in einer Anhörung mit der „Einberufung von einem bundesweiten Bürgerrat zur Klimapolitik“ befassen muss.

EEG Novelle 2021

Als Ergebnis eines umfangreichen parlamentarischen Verhandlungs- und Gesetzgebungsprozesses enthält das novellierte EEG 2021 als Kompromiss klare und detaillierte Regelungen dazu, wie der Ausbau Erneuerbarer Energien mit dem Ziel Treibhausgasneutralität bis 2050 weiter vorangetrieben werden soll. Auch die Themen Akzeptanz und lokale Teilhabe spielen darin eine Rolle. So hat sich die Koalition im Sinne einer finanziellen Beteiligung auf eine Kommunalabgabe geeinigt, die Betreiber von Windenergieanlagen an die Standortkommunen – quasi als Entschädigung – weiterreichen können. Eine entsprechende Regelung für Solarkraftwerke soll im kommenden Jahr per Verordnung folgen. Ob und in wie weit sich mit dieser Regelung die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort steigern lässt, bleibt allerdings fraglich. Zumindest sieht es auch die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten so, die der Bundesregierung in ihrer Beschlussempfehlung zum EEG gleich mit auf den Weg gegeben haben, kosteneffiziente Maßnahmen zur Stärkung der Bürgerenergie und der Akzeptanz vor Ort vorzuschlagen, die über die im EEG 2021 vorgesehene kommunale Beteiligung und die fortgeführte Regelung zur Bürgerenergie hinausgehen.

Online-Petition Bürgerrat zur Klimapolitik

Eine „Klimapolitik auf den Weg bringen, die von der Breite der Bevölkerung mitgetragen wird“, das erhoffen sich auch die knapp 70.000 Petenten, die sich mit ihrer Online-Unterschrift für einen bundesweiten Klima-Bürgerrat ausgesprochen haben. Die Petition, die aller Voraussicht nach im kommenden Jahr von Petitionsausschuss des Bundestages behandelt wird, schlägt die Einberufung eines repräsentativ und unabhängig besetzten bundesweiten Bürgerrates zur Klimapolitik vor. Eine Gruppe von ca. 100-150 zufällig ausgewählten Menschen sollen darin mit anerkannten und unabhängigen ExpertInnen Lösungsansätze diskutieren und mit Hilfe von ModeratorInnen gemeinsam verschiedene Handlungsempfehlungen zur Klimapolitik entwickeln.

Neue Wege in der Akzeptanzpolitik?

So unterschiedlich die beiden Ansätze auch sind. Eines haben sie gemeinsam: Akzeptanz vor Ort lässt sich auf diesen Wegen sicherlich nicht herstellen. Denn Befindlichkeiten entstehen meistens dort, wo Menschen in ihrem Tun und Sein, in Ihrem direkten Lebensumfeld, betroffen sind. Übergeordnete Dinge spielen da oft, besonders wenn sie in einer nicht greifbaren Zukunft liegen, nur eine Nebensache. Der Ansatz des EEG, die Menschen auf kommunaler Ebene zu beteiligen, ist prinzipiell richtig. Allerdings greift er zu kurz, denn Zustimmung lässt sich nicht immer „erkaufen“. Echter Akzeptanz geht ein Verständigungsprozess voraus, in dem Pros und Contras gegeneinander abgewogen und gemeinsam Lösungsansätze für konkrete Vorhaben gefunden werden können. Allerdings funktioniert dies nicht mit einem zentralistischen, bundesweiten Bürgerrat, in dem nur allgemeine und übergeordnete Zielvorstellung und sehr grobe Maßnahmen erarbeitet werden könnten. Denn der Ausbau der Erneuerbaren Energien mit Anlagen und Netzen findet vor Ort statt. 

Der Ansatz eines deliberativen Bürgerrates als Ergänzung zu den bestehenden repräsentativ parlamentarischen Gremien hätte auf lokaler Ebene daher – auch im Sinne der Subsidiarität – deutlich mehr Charme und Chancen. Auf Landkreisebene könnten im Rahmen von lokalen Bürgerräten z. B. konkrete Ausbauziele und -vorhaben diskutiert und empfohlen werden. Die Zufallsauswahl der beteiligten Bürgerinnen und Bürger vor Ort ermöglicht es dabei, die Mehrheit der lokalen Bevölkerung, die der Energiewende und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien auch in ihrer Nachbarschaft zustimmen, sichtbar zu machen. Politik und Verwaltung würden dadurch zusätzliche legitimatorische Rückendeckung erhalten.