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01 | 2019Ingo Seeligmüller

Blockheizkraftwerk vor der Haustür? Lieber mit Bürgerbeteiligung

<h1>Blockheizkraftwerk vor der Haustür? Lieber mit Bürgerbeteiligung</h1>

Die dezentrale Erzeugung von Strom und Wärme – nahe am Verbraucher – ist eine zentrale Idee der Energiewende. Blockheizkraftwerke kommen in innerstädtischen Wohngebieten, etwa bei Quartierslösungen, zum Einsatz. Diese Lösung ist effizient, weil verlustarm. Gleichzeitig stellt sie die Betreiber vor neue Herausforderungen. Denn da, wo vorher nichts war, ist jetzt eine potenzielle Lärm- und Emissionsquelle geplant. Mit einer Beteiligung der Bürger vor Ort können Missverständnisse von vornherein ausgeräumt und eine höhere Planungssicherheit erreicht werden. 

München macht es. Cottbus macht es. Und viele andere Städte machen es auch: Kraft-Wärme-Kopplung in dezentralen Blockheizkraftwerken (BHKW) sollen die Wärmwende beschleunigen. Allen sitzt dabei der geplante Kohleausstieg im Nacken. Konnten große Kohlekraftwerke mit ihrer Abwärme quasi nebenbei die Wärmenetze der Großstädte befüllen, ist dies mit dem avisierten Ausstieg in absehbarer Zeit vorbei. Viele Städte, etwa Frankfurt (Oder), folgen deswegen dem Berliner Beispiel. In der Hauptstadt ist man seit diesem Jahr kohlefrei. Die verbliebenen Kohlekraftwerke wurden entweder auf Gas oder Biomasse umgerüstet. Teilweise wird sogar Solarthermie ins hauptstädtische Wärmenetz eingespeist. Allesamt clevere Lösungen, die effizient sind. Gerade dezentrale Erzeugung und dezentraler Verbrauch vor Ort ist das Gebot der Stunde. Denn die Leitungsverluste bleiben gering, die Wirtschaftlichkeit steigt. 

Für Anwohner keine Win-Win-Situation

Dennoch: Eine reine Win-Win-Situation sind dezentrale BHKW keineswegs. Denn was bisher am Stadtrand und damit weit weg vom Verbraucher verfeuert wurde und Emissionen erzeugte, entsteht nun quasi vor der Haustür. Blockheizkraftwerke produzieren einiges an Lärm, aber eben auch Abgase. Die umweltfreundlichere Verbrennung von Erdgas gegenüber Braunkohle kann das nicht gänzlich verhindern, sondern nur um ein Drittel mindern. 

Auch die Verfeuerung von Biomasse ist kein wirklicher Ausweg. Die Emissionen inklusive höherer Anteile an Feinstaub bleiben trotzdem vor Ort, wenn auch CO2-neutral erzeugt. Hinzu kommen die Brennstofftransporte, die wohl oder übel über die Straße abgewickelt werden müssen. 

Schon regt sich erster Widerstand. In München etwa sind elf neue BHKW in Quartieren geplant. Sie sollen den Ausstieg aus der Kohle beschleunigen, der in der bayerischen Landeshauptstadt mit einem Bürgerentscheid eingeläutet wurde. „Raus aus der Steinkohle“ hieß die im November letzten Jahres erfolgreiche Initiative, in deren Folge nun ein Kohleblock im Heizwerk Nord stillgelegt wird. Dafür muss Ersatz her – eben in Form dezentraler, mit Erdgas betriebener Blockheizkraftwerke. 

Bürger wehren sich

Eines davon soll nahe dem Michaelisbad entstehen – auf einem Parkplatz. Und dagegen sträuben sich viele Bürger. Denn das Bauwerk ist so klein nicht: 32 Meter lang, zehn Meter hoch und mit 40 Meter langen Schornsteinen versehen wird es in dem gutbürgerlichen Viertel wahrlich nicht zu übersehen sein. 

Nicht nur das stört die Anwohner. Sie befürchten, dass Parkplätze verloren gehen. Tatsächlich sollen nur einige Behindertenparkplätze direkt am Bad erhalten bleiben. Auch der Baumbestand auf und um den Parkplatz herum wird wohl – jedenfalls zu Teilen – weichen müssen. 

Die größte Sorge aber gilt den Emissionen. Denn bei der Verbrennung von Erdgas entstehen neben Kohlendioxid auch Kohlenmonoxid und Stickoxide. In einem reinen Wohnviertel kann sich das zu einem echten Problem auswachsen. Der zuständige Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach nahm die Proteste und Bedenken der Bürger ernst und gab sie an die Stadtverwaltung weiter. Derzeit läuft noch das Planungsverfahren. Ausgang: offen – auch was die Aufnahme der Bürgerbedenken betrifft. 

Im Vorfeld auf Betroffene zugehen

Solchen Bedenken kann man jedoch schon im Vorfeld begegnen. Gerade in der Energiewirtschaft sind Monitoringprozesse, die Beteiligung von Bürgern und eine transparente Begleitung von Bauphasen in einigen Bereichen schon Standard, etwa beim Leitungsbau. 

Stadtwerke und Netzplaner sind also gut beraten, rechtzeitig die betroffenen Anwohner bei der Planung eines BHKW einzubeziehen. Dabei resultieren die Ängste der Bewohner mitunter aus fehlenden Informationen, etwa, was die Havariegefahr eines gasbetriebenen BHKW angeht. 

Aber auch der Standort, der sich für die Anwohner nachhaltig verändert, und die tatsächlich auftretenden Emissionen sowie die vermeintlichen, wie etwa Lärm, sollten Gegenstand der Aufklärung sein. Allein auf den in der Bevölkerung durchaus positiv besetzten Ausstieg aus der Kohle sollte sich niemand verlassen. Viel schlimmer wäre es, wenn die Reputation eines Unternehmens, hier eines regionalen Energieversorgers, leidet. Und das nur, weil die Bürger, die zudem größtenteils auch noch die eigenen Kunden sind, einfach nicht gehört werden. 

Wenn also ein regionaler Energieversorger im Zuge der Energiewende verstärkt auf dezentrale Erzeugung setzt, sollte er von Anfang an kritische Themen und die davon betroffenen Personengruppen identifizieren. In München wären diese leicht zu bestimmen gewesen: Emissionen von Lärm und Abgasen, Parkplatzverluste, Sichtbeschränkungen. Anwohner und deren gewählte Vertretungen sind Betroffene und Meinungsbildner. Gerade die betroffenen Bürger im entsprechenden Quartier hätte von vornherein darüber informiert und eingebunden werden können. Möglich gewesen wäre dies durch Information mittels klassischen Briefwurfsendungen und Anzeigen oder etwa durch Dialogveranstaltungen Off- und Online mit konsultativem Charakter. 

Betroffene nehmen Dialog gern an

Die Erfahrung zeigt, dass der dialogorientierte Austausch von den Betroffenen in der Regel gerne angenommen wird und einen echten Mehrwert bringen kann. Denn durch die informelle Beteiligung und eine Begegnung der Menschen auf Augenhöhe können frühzeitig Missverständnisse ab- und Vertrauen aufgebaut werden. Gleichfalls können wichtige Hinweise aus der Anwohnerschaft dazu beitragen, die Planungen zum Projekt noch vor dem eigentlichen Bewilligungsverfahren zu verbessern und mögliche Konfliktpotenziale auszuräumen. 

Oft reichen wenige Dialogveranstaltung aus, um die richtigen Weichen zu stellen. Initiiert werden können aber auch regelrechte Werkstätten, in denen die Bürger ihre eigenen Ideen über einen längeren Entwicklungszeitrum einbringen. Auch Befragungen der Betroffenen im Vorfeld eines geplanten Projekts bringen Erkenntnisse und im besten Falle wesentliche Handlungsempfehlungen. 

Die Beteiligung kann in verschiedenen Stufen erfolgen: entweder als reine Information, die auf mehr Transparenz setzt, als konsultatives Beteiligungsverfahren mittels Dialoges oder als kooperatives Verfahren, das den Bürgern eine Mitgestaltung an einem Projekt erlaubt. Das kann so weit gehen, den Betroffenen ein Mitspracherecht bei der Brennstoffauswahl, den baulichen Gegebenheiten oder sogar eine finanzielle Beteiligung einzuräumen, etwa in Form eines Mieterstromprojektes. 

Sicher – dieser Weg ist beschwerlicher, zeitraubender und auch erst einmal teurer, als wenn man versucht, solch ein Projekt eher im Stillen durchzudrücken und zu hoffen, dass nur wenige Betroffene davon etwas mitbekommen. Doch wer sich auf solch eine Strategie verlässt, könnte sie am Ende wesentlich teurer bezahlen. Denn nichts kostet mehr, als das verlorene Vertrauen in die Unternehmensreputation wiederherzustellen. 

Wer hingegen von vornherein auf die Beteiligung der Bürger setzt und diese unterstützt, wird garantiert Einsprüche, dadurch bedingte Verzögerungen und in dessen Folge steigende Kosten vermindern können.