10 | 2021Ingo Seeligmüller

Praxisleitfaden Netzausbau: Erfolgsfaktor Öffentlichkeitsbeteiligung

<h1>Praxisleitfaden Netzausbau: Erfolgsfaktor Öffentlichkeitsbeteiligung</h1>

Ohne Netzausbau keine Energiewende! Von dieser einfachen Prämisse ausgehend hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Anfang Oktober einen „Praxisleitfaden Netzausbau“ vorgelegt, der Lösungsansätze zur Optimierung und Beschleunigung im bestehenden Rechtsrahmen aufzeigt. Die wesentlichen Aussagen und Lösungsansätze zu den Themen Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung haben wir im Folgenden zusammengefasst:

„Der Praxisleitfaden soll Genehmigungsbehörden und Vorhabenträger dabei unterstützen, vorhandene Potenziale zur Beschleunigung und zur Risikominimierung bei Vorhaben in der Zulassungs- und Realisierungsphase zu nutzen.“ (Praxisleitfaden, S. 8)

Auch wenn die zahlreichen Best-Practice-Beispiele ausschließlich Netzausbauprojekte von Übertragungsnetzbetreiber aufweisen, sind viele der aufgezeigten Lösungsansätze für alle Typen von Netzausbauvorhaben relevant. Die Lösungsansätze teilen sich auf die vier Themencluster Projektmanagement, Öffentlichkeitsbeteiligung, Zulassungsphase und Realisierungsphase auf. Lösungsansätze in der verfahrensbegleitenden Kommunikation werden im Themencluster Projektmanagement beschrieben, spielen aber natürlich auch in den anderen Clustern (Öffentlichkeitsbeteiligung, Zulassungsphase und Realisierungsphase) eine wesentliche Rolle.

Einordnung verfahrensbegleitender KommunikationQuelle: Praxisleitfaden Netzausbau, BMWi, S. 46

Als Lösungsansätze in der verfahrensbegleitenden Kommunikation werden folgende Punkte genannt:

  • Frühzeitige Kommunikation zwischen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde über Kick-Off-Sitzung
  • Nutzung eines Verfahrensleitplans
  • Regelmäßige, bedarfsorientierte Kommunikation zwischen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde
  • Frühzeitiger Austausch von Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde mit TöB
  • Einsatz externer Fachplaner/ -experten aus fachspezifischen Planungsbüros auf Seiten des Vorhabenträgers
  • Aktive und zielgenaue Befragung
  • Benennung eines zentralen Ansprechpartners und Koordinators
  • Regelmäßige, vorhabenübergreifende Wissensaustausche

Öffentlichkeitsbeteiligung wird im Praxisleitfaden als Querschnittsthema beschrieben, dass in allen Phasen des Netzausbaus mitgedacht werden muss.

Als Lösungsansätze in der Öffentlichkeitsbeteiligung werden genannt:

  • Frühzeitige Beteiligung und transparente Prozesse
  • Klarheit über Rollen und Aufgaben der Akteure
  • Vertrauensvolle, lokal angepasste Kommunikation
  • Gestaltung von bedürfnisorientierten Dialogveranstaltungen
  • Transparente Unterlagen
  • Gemeinsame Narrative

Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit kann ein hohes Risikominimierungspotenzial aktivieren und damit erhebliche Verzögerungen in der Zulassung vermeiden. Dies erfordert allerdings ein an die Situation angepasstes, gut abgestimmtes Vorgehen aller Beteiligten, welches von den übrigen Maßnahmen begleitet werden muss, um einen effektiven und fairen Beteiligungsprozess zu ermöglichen.

Schwerpunkte von LösungsansätzenQuelle: Praxisleitfaden Netzausbau, BMWi, S. 9

„Ein guter Beteiligungsprozess verbessert Ergebnisse, da das relevante Wissen von mehr Akteuren genutzt werden kann. Er kann auch das Vertrauen in repräsentativ-demokratische Entscheidungsprozesse stärken.“ (Praxisleitfaden, S. 60)

Sofern die Beteiligung früh genug beginne, bestehe für zahlreiche Themen (wie z. B. Umfang Umweltprüfung, Trassenkorridore und Maststandorte) genügend Spielraum, um das „Wo“ und „Wie“ einer Leitung zu beeinflussen. Dabei betont der Praxisleitfaden allerdings, dass eine derartige Einflussnahme auf Ergebnisse einen guten Willen voraussetze, bei dem Vorhabenträger und Genehmigungsbehörden Entscheidungsspielräume anerkennen müssen und das aktive Angebot machen, über ausgewählte Punkte zu verhandeln. Öffentlichkeitsbeteiligung ist dann im Idealfall ein Austausch auf Augenhöhe zwischen Genehmigungsbehörden, Vorhabenträgern und TöB sowie nicht institutionell organisierter Beteiligter.

„Beteiligte sollten im gesamtgesellschaftlichen Interesse auf solche Angebote konstruktiv reagieren und bei der Entwicklung besserer Ergebnisse mitwirken, anstatt in Opposition zu verharren und darüber Gelegenheiten zur Einflussnahme verstreichen zu lassen.“ (Praxisleitfaden, S. 65)

Bei der Ausgestaltung von bedürfnisorientierten Dialogveranstaltungen empfiehlt es sich von Beginn an lokale Ausrichter (Kommunen, Bürgermeister) für informelle Veranstaltungen einzubinden, da diese die Bevölkerung vielfältig besser erreichen und als neutralere Instanzen als Vorhabenträger gelten. 

„Informations- und Dialogveranstaltungen sollten in der Regel möglichst jeder interessierten Person zugänglich sein. Zusätzlich kann die Ausrichtung runder Tische als Teil der informellen Beteiligung mit einer limitierten Zahl geladener Gäste oder die Nutzung von Bürgerforen und Versammlungen als Teil der informellen Beteiligung sinnvoll sein, wenn es um das Erarbeiten von Vorschlägen, konkreten Lösungen oder den Umgang mit spezifischen Problemen geht. Diese Art der Beteiligung ist besonders für Vorhabenträger interessant, kann aber gemeinsam mit neutralen Dritten, bspw. Kommunen, ausgerichtet werden.“ (Praxisleitfaden, S. 65) 

Ob und mit wem die Durchführung solcher Formate sinnvoll und geeignet ist, sollte auf jeden Fall mit den lokalen Autoritäten abgestimmt werden. Zentral für eine gute Öffentlichkeitsbeteiligung ist an dieser Stelle aber auch eine transparente Kommunikation, die Auskunft über das Beteiligungsverfahren gibt und die einzelnen Prozessschritte erläutert. So kann der Eindruck von „Entscheidungen hinter verschlossenen Türen“ vermieden werden. 

Einordnung RisikominimierungsmaßnahmenQuelle: Praxisleitfaden Netzausbau, BMWi, S. 147

Auch in der Realisierungsphase sieht der Praxisleitfaden hohe Anforderungen an die Kommunikation. Hier wird insbesondere die Kommunikation mit betroffenen Eigentümern und Nutzern bei der Herstellung der Flächenverfügbarkeit genannt.

„Über die Kommunikation muss deutlich gemacht werden, dass man einerseits die Interessen des Eigentümers respektiert, andererseits der Netzausbau im Interesse des Gemeinwohls durchgeführt werden muss.“ (Praxisleitfaden, S. 136)

Leider versäumt es der Praxisleitfaden an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass gute Kommunikation in der Realisierungs- und Bauphase auch zu beitragen kann Konflikte zu befrieden. Der erfolgreiche Abschluss eines Netzausbauprojekts, an dem auch die Öffentlichkeit beteiligt werden sollte, kann durchaus Strahlkraft für andere Netzausbauprojekte bedeuten.

Link zum "Praxisleitfaden Netzausbau" des BMWi.