06 | 2020Lisa Claus

Über die „Zerstörung“ von Vertrauen in die Medien

<h1>Über die „Zerstörung“ von Vertrauen in die Medien</h1>

Durch sein kontrovers diskutiertes Video „die Zerstörung der CDU“ wurde der Youtuber Rezo weit über seinen eigentlichen Zuschauerkreis hinaus bekannt. Auch eines seiner neuesten Videos sorgt für Diskussionen. Er „zerstört“ die Presse darin nicht, wie der Titel des Videos andeutet, sondern zeigt Missstände auf, in denen er die Ursache für ein aus seiner Sicht schwindendes Vertrauen in die etablierten Medien sieht. Die von ihm wahrgenommene Vertrauenskrise lässt sich nur teilweise bestätigen. Tatsächlich ist der Anteil an Menschen, die etablierten Medien in wichtigen Fragen vertrauen, seit 2015 deutlich angestiegen, genauso aber auch der Anteil an Menschen, die Misstrauen äußern (siehe Langzeitstudie Medienvertrauen der Universität Mainz). Es lässt sich also eine Polarisierung bezüglich des Vertrauens in Journalismus erkennen. Rezo prangert in seinem Video an, dass Techniken von Verschwörungstheoretikern auch von Teilen der seriösen Presse genutzt werden, wie beispielsweise der Einsatz von Aufmerksamkeit generierenden Überschriften, welche den Inhalt eines Beitrages übertrieben darstellen, oder das Aufstellen von Behauptungen ohne Angaben von Quellen und Belegen. Dabei stellt man sich unweigerlich die Frage, inwieweit es Rezo bewusst ist, dass er natürlich auch selbst von solchen Methoden Gebrauch macht – als offensichtlichstes Beispiel das reißerische Wort „Zerstörung“ im Titel seines Videos.

Auch wenn es durchaus Aspekte gibt, die man an Rezos Video kritisieren kann, zeigt er zweifellos berechtigte Kritik auf und stößt vor allem eine wichtige Debatte an: Was sind Ursachen, dass immer mehr Menschen eine kritische Einstellung gegenüber den Medien haben? Und vor allem: wie kann man dem entgegenwirken? Schließlich kommt der Presse als „unabhängige vierte Gewalt“ eine zentrale Rolle im demokratischen System zu.

Welche Auswirkungen hat das riesige Medienangebot?

Rezo sieht als eine zentrale Ursache für das steigende Misstrauen gegenüber etablierten Medien, Missstände in deren Arbeitsweise. Aber wie kommt es eigentlich, dass nicht nur Klatschblätter und Boulevardzeitungen, sondern auch „seriöse“ Zeitungen, auf oben genannte Techniken zurückgreifen und nicht immer saubere Belege anführen. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang das immer größere Informationsangebot. Der etablierte Journalismus konkurriert mit Social-Media-Kanälen, Blogs, Foren, KI und sonstigen digitalen Plattformen. Dabei unterliegt die Presse, mit Ausnahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, einem Wirtschaftlichkeitszwang. So bringen reißerische Titel möglicherweise mehr Klicks, was wiederum höhere Werbeeinnahmen generiert. In der digitalen Welt werden Konsum und Austausch von Informationen immer schnelllebiger. Neuigkeiten werden nahezu in Echtzeit verbreitet, was fundierte Recherchen erschwert.

Auch wenn es natürlich eine Rolle spielt, wie glaubwürdig etablierte Medien agieren, sehen wir noch eine weitere zentrale Ursache für die steigende Zahl an Menschen, die diesen ein geringes Vertrauen entgegenbringen. Das immense Informationsangebot ist nicht nur eine Herausforderung für die Presse selbst. Für die Rezipientinnen und Rezipienten wird es immer komplexer, seriöse Berichterstattung klar als solche zu erkennen. Online verschwimmen schnell die Grenzen zwischen journalistischer Arbeit, Laienkommunikation, privater Meinungsäußerung, oder auch strategischer Kommunikation/PR. Zudem gibt es Defizite beim Verständnis journalistischer Arbeit.

Wenn Menschen keine Vorstellung haben, wie unabhängige Berichterstattung funktioniert, welche Quellen vertrauenswürdig sind, oder welche Rolle unabhängige Medien in unserer Gesellschaft spielen, hat das Auswirkungen auf ihr Vertrauen in diese. Das zeigt sich beispielsweise auch in einer Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Vertrauen in Journalismus im medialen Strukturwandel, in welcher Befragte, die mehr Medienwissensfragen korrekt beantwortet hatten, ein höheres Vertrauen aufwiesen (siehe Artikel „Vertrauen in Journalismus in Deutschland: Eine Typologie der Skeptiker“ Media Perspektiven 04/2020).

Muss Journalismus verantwortungsvoller werden oder braucht es vielmehr eine bessere Medienkompetenz?

Natürlich haben etablierte Medien eine Verantwortung, trotz Konkurrenzdruck möglichst fundiert und wahrheitsorientiert zu arbeiten und keine Falschaussagen zu verbreiten. Ein transparenter Umgang mit der eigenen Arbeitsweise und vor allem auch mit gemachten Fehlern, kann zur Vertrauensbildung bei Leserinnen und Lesern beitragen. Gerade vor dem Hintergrund einer sich verändernden Medienlandschaft müssen Journalistinnen und Journalisten ihre neue/alte Rolle als „Gatekeeper“ verantwortungsvoll wahrnehmen.

Aus unserer Sicht ist es aber mindestens genauso wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger ein Verständnis für journalistische Arbeit entwickeln und zu verantwortungsvollem Medienkonsum befähigt werden. Grundlage hierfür ist eine umfassende Medienkompetenz, die nicht nur in der Schule, sondern entlang der gesamten Bildungskette und auch darüber hinaus vermittelt werden muss. Obgleich es im Bereich der Medienkompetenzvermittlung natürlich verschiedene Aktivitäten von privater und öffentlicher Seite gibt, fehlt es zum Teil an langfristigen Projekten, die über eine bloße Bereitstellung von Informationen hinaus gehen. Ein aus unserer Sicht vielversprechender Ansatz wäre eine Initiative regionaler Medienverantwortlicher, die mit ihren Rezipientinnen und Rezipienten in den Dialog geht und sich über die Grundsätze der Berichterstattung und Aufgabe der Medien verständigt. Ziel wäre es, durch Beteiligungsprozesse an verschiedenen Standorten der Region, die Medienkompetenz der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und auf Seiten der Presse ein besseres Verständnis für deren Bedürfnisse und Interessen zu entwickeln, um so Vertrauen zu schaffen.

Nur wenn wir in seriöse Medien vertrauen, können wir mit dem ungeheuren Informationsangebot heutzutage umgehen, dient uns doch Vertrauen als „Mechanismus zur Reduktion von (sozialer) Komplexität“ (Niklas Luhmann).