05 | 2017Carolin Rößler

VDI-Richtlinie 7001: Öffentlichkeitsbeteiligung als Standard

<h1>VDI-Richtlinie 7001: Öffentlichkeitsbeteiligung als Standard</h1>

„Endlich nimmt man uns mal ernst hier“, hörte ich kürzlich einen Mann bei einem Bürgerdialog im Rahmen eines unserer Kundenprojekte erklären. Eine Aussage, welche die besagte Person nach der Veranstaltung auch auf die Frage eines Journalisten hin entgegnete. Und ein Grund, weshalb man in Kommunikation bei Infrastrukturprojekten investieren sollte. Denn der Aufwand lohnt sich.    

Seien wir ehrlich, natürlich ist das Wissen um Öffentlichkeitsbeteiligung bei Infrastrukturprojekten an sich – also, dass man „das halt irgendwie machen muss“ – in der Kommunikationsbranche kein siedend heißes Thema. Doch wie macht man es richtig? Wir beschäftigen uns seit Jahren mit diesem Anliegen. Jedoch, ob man glaubt oder nicht, für Vorhabenträger oder Ingenieure ist die Einbeziehung der Öffentlichkeit nicht selbstverständlich. Sie geht oft nicht über die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen von Raumordnungs- oder Planfeststellungsverfahren hinaus.   

Insbesondere Stuttgart 21 trug dazu bei, dass sich der Gesetzgeber 2012 in die Diskussion einschaltete. Mit einer Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes wurde die frühe Beteiligung der Öffentlichkeit zur Vorschrift. Im §25 Abs. 3 VwVfG trat sie am 7. Juni 2013 in Kraft. Der Verein Deutscher Ingenieure e.V. (VDI) arbeitete parallel Richtlinien aus, um die Vorschriften anwendungstauglich zu vermitteln: Es entstanden die VDI 7000 und 7001, wobei insbesondere letztere als konkrete Praxisrichtlinie interessant ist.    

Ein Leitfaden zur Öffentlichkeitsbeteiligung für die Praxis 

Die Richtlinienreihe VDI 7001 trägt den Titel „Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planung und Bau von Infrastrukturprojekten“. Sie trat im März 2014 in Kraft und besteht aus zwei Teilen. Die allgemeinen „Anforderungen an gute Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung“ führen in Notwendigkeit, Instrumente und Grundregeln von Kommunikation und Beteiligungsprozessen ein. Der Teil „Gute Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung in den Leistungsphasen der Ingenieurplanung“ formuliert für jede der Leistungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) konkrete Standards für begleitende Kommunikation und Beteiligungsmöglichkeiten. Außerdem enthält die Richtlinie zwei Checklisten zu Kommunikation und Verständlichkeit, die Aspekte auflisten, die bei der Kommunikation in den einzelnen Leistungsphasen beachtet werden müssen sowie Hinweise für deren Effektivität.   

Annäherung an das Thema Kommunikation 

Die VDI 7001 schließt eine entscheidende Lücke. Indem sie sich an der HOAI orientiert, trägt sie das Thema Kommunikation direkt an die Planungs- und Bauverantwortlichen heran. Die Richtlinie stellt einen Standard da und überzeugt als Antwortvorlage bei der Frage „Wie beziehe ich die Öffentlichkeit frühzeitig in mein Vorhaben ein und bringt mir das überhaupt etwas?“. Für die Umsetzung von Infrastrukturprojekten in der heutigen Gesellschaft ist dieses Wissen zwingend notwendig. Und es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis neue Kommunikationsstandards in weitere Verwaltungsvorschriften gegossen werden.   

So weit, so gut. Interessant ist, dass die VDI 7001 auch auf den Mehrwert von Kommunikation bei Infrastrukturprojekten eingeht, also warum es für Planer und Ingenieure wichtig ist, hier Expertise aufzubauen. Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung kann Geld und Zeit sparen. In der Regel beschleunigen Standards Prozesse und sorgen für Effizienz. Sie bieten Orientierung für die Vorhabenträger und beseitigen Unsicherheiten. Ernsthaft implementiert, sorgt frühzeitige Kommunikation außerdem auch längerfristig für ein gutes Verhältnis zwischen Vorhabenträgern und Interessengruppen. Wichtig ist dabei, dass wirkliche Handlungsspielräume für Anliegen aus der Öffentlichkeit existieren. Gibt es zum Beispiel keine Möglichkeit für die Bürger, sich einzubringen, muss der Fokus auf der Vermittlung der Sachverhalte liegen. Wo es keinen Spielraum für Gestaltung gibt, bleibt Beteiligung ein hohles Versprechen.   

Den Herren auf der zu Beginn erwähnten Bürgerveranstaltung gab es übrigens wirklich. Letzten Endes war er nicht nur ein sehr verständnisvoller Mensch, sondern auch Meinungsführer in seiner Gemeinde, die noch einen klugen Vorschlag ins Verfahren einbrachte.