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05 | 2025Mareike Freiling

CCS: Gesetzgebung allein reicht nicht – warum Akzeptanz entscheidend ist

<h1>CCS: Gesetzgebung allein reicht nicht – warum Akzeptanz entscheidend ist</h1>

CDU, CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, zügig ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von CO₂  sowohl offshore als auch onshore ermöglichen soll. Gemeint sind sogenannte CCS-Technologien (Carbon Capture and Storage) bzw. CCU-Technologien (Carbon Capture and Utilization), mit denen CO₂ aus der Atmosphäre ferngehalten werden soll – zum Beispiel durch unterirdische Speicherung. Ziel ist es, so insbesondere schwer vermeidbare Emissionen aus der Industrie und von Gaskraftwerken zu reduzieren.

Bereits in ihrer Formulierung deuten die Koalitionspartner eine entscheidende Herausforderung an: Die Speicherung von CO₂ soll nur dort erfolgen, wo sie „geologisch geeignet und akzeptiert ist“. Der Verweis auf die gesellschaftliche Akzeptanz kommt nicht von ungefähr – denn CCS hat in Deutschland eine konfliktreiche Vergangenheit.

Rückblick: Die Akzeptanzdebatte um CCS in Deutschland

In den 2000er Jahren wurde CCS zunächst als mögliche Zukunftstechnologie gefeiert – mit der Hoffnung, fossile Energieträger wie Kohle „klimafreundlicher“ zu gestalten. Doch spätestens ab 2009 kippte die Stimmung: Mit der Planung konkreter Speicherprojekte unter anderem in Nordfriesland, der Altmark und Brandenburg formierte sich erheblicher Widerstand in der Bevölkerung. Die Proteste führten letztlich zum Scheitern der Vorhaben.

Diese Erfahrung schlug sich 2012 im Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) nieder. Es erlaubt lediglich Erprobungsprojekte – eine kommerzielle Nutzung wurde ausgeschlossen. 2016 lief zudem die Frist zur Einreichung neuer Projekte ab. Die Debatte um CCS schien damit vorerst beendet.

Doch mit Diskussionen um das Erreichen der Klimaziele kehrte das Thema zurück: Schon die Ampel-Koalition hatte eine Novelle des KSpG auf den Weg gebracht. Nun greift auch die neue Bundesregierung dieses Vorhaben wieder auf. Gesetzlich könnte CCS also bald wieder möglich sein. Doch wie der Blick auf die Vergangenheit zeigt, sind die regulatorischen Hürden nicht das einzige Hindernis – die Vorhaben scheiterten an der fehlenden lokalen Akzeptanz. Warum stieß die Technologie in der Vergangenheit auf so großen Widerstand?

Herausforderungen für die Akzeptanz von CCS Vorhaben

1. Unzureichende Informationsgrundlage

Trotz politischer und medialer Debatten ist CCS in der Bevölkerung wenig bekannt. Einer Umfrage aus dem Jahr 2022 zufolge gaben 36 % der Befragten an, CCS gar nicht zu kennen, weitere 50 % hatten lediglich schon einmal davon gehört (Otto et al. 2022). Entsprechend groß ist der Informationsbedarf – gerade bei Menschen, die direkt betroffen wären.

2. Sicherheitsbedenken

Auch wenn CCS im Regelbetrieb als sicher gilt, bleiben Restrisiken bestehen – etwa bei Leckagen oder Unfällen. Austretendes CO₂ kann durch die Erstickungsgefahr sowohl Menschen als auch Tiere gefährden sowie das Grundwasser und die Biodiversität negativ beeinflussen. Zudem besteht die Sorge, dass es durch das Einpressen des CO₂ in tiefe Bodenschichten zu Erdbeben kommen kann. Studien zeigen, dass die Wahrnehmung solcher Risiken ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz von CCS ist (Dütschke et al. 2015).

3. Polarisierte öffentliche Debatte

Den gescheiterten Vorhaben ging eine negative lokale Berichterstattung voran. Bis heute ist die Diskussion um CCS polarisiert. Das liegt auch an dem Image, das sich die früheren CCS Projekte als Kohle-Greenwashing erwarben. Umweltverbände und prominente Stimmen wie Harald Lesch warnen, CCS könne als Ausrede dienen, um echte Klimaschutzmaßnahmen zu verzögern. Einzelne Umweltschutzorganisation äußern sich differenziert, so geht der NABU davon aus, dass man in einigen wenigen Bereichen, wie der Zement-Industrie, nicht um die Anwendung von CCS Technologien herumkommen wird, fordert jedoch eine breite gesellschaftliche Beteiligung.

4. Fehlende politische Rückendeckung

Auch wenn frühere CCS-Vorhaben in Norddeutschland und Brandenburg zunächst politisch unterstützt wurden, zogen sich Landesregierungen bei wachsendem Widerstand schnell zurück. Im Gegensatz baute das einzige erfolgreiche Projekt – das Testfeld in Ketzin (2004–2017) – auf breite institutionelle Unterstützung von Kommune bis Landesebene.

5. Mangelhafte Kommunikation

Ein zentraler Kritikpunkt an den gescheiterten Vorhaben war die Kommunikation der Vorhabenträger (Dütschke et al. 2015): Sie begann meist zu spät, wurde als unvollständig oder unehrlich wahrgenommen und sprach die Bevölkerung nicht adäquat an. Informationen zu Risiken wurden als unvollständig wahrgenommen oder waren zu technisch formuliert. Vertrauen konnte so kaum entstehen. Im Gegensatz dazu wurde vom Projektträger des erfolgreichen Vorhabens in Ketzin bereits früh Kontakt zu regionalen Akteuren aufgenommen.

Es kamen also verschiedene Faktoren zusammen, die dazu führten, dass Vorhaben in der Vergangenheit scheiterten. Sie erscheinen auch heute nicht minder relevant. Die entscheidende Frage lautet also: Wie steht es heute um die gesellschaftliche Akzeptanz von CCS?

Zwischen Skepsis & Offenheit: Der aktuelle Stand der CCS Akzeptanz

Studienergebnisse zur gesellschaftlichen Akzeptanz von CCS in Deutschland sind bislang uneinheitlich. Eine Untersuchung im Rahmen des Verbundprojekts „CCS-Chancen“ bescheinigte bereits 2015 eine insgesamt geringe Zustimmung – insbesondere in Nordfriesland wurde die Technologie klar abgelehnt, unabhängig davon, ob es sich um Onshore- oder Offshore-Speicherung handelte.

Eine aktuellere repräsentative Umfrage des Wuppertal Instituts in Nordrhein-Westfalen kommt zu einem differenzierteren Ergebnis: Viele Befragte äußerten dort grundsätzlich Offenheit gegenüber einer möglichen Nutzung von CCS. Gleichzeitig zeigt die Studie deutliche Informationslücken – ein Großteil der Befragten kennt die Technologie kaum oder nur oberflächlich.

Mit der erwarteten Gesetzesänderung rückt das Thema stärker in den öffentlichen Fokus. Insbesondere von der Umsetzung neuer CCS Vorhaben könnte dann die Akzeptanz der Technologie in der Bevölkerung abhängen.

Was zukünftige CCS Vorhaben in Sachen Akzeptanz beachten müssen

Für eine neue Generation von CCS-Projekten lassen sich aus der Vergangenheit klare Lehren ziehen:

  • Regionale Vorerfahrungen berücksichtigen und lokale Akzeptanzfaktoren identifizieren: Die Haltung zu CCS variiert stark nach Region. Eine gründliche Umfeld- und Themenanalyse ist essenziell – sowohl hinsichtlich früherer Konflikte als auch aktueller Stimmungslagen.
  • Frühe und umfassende Beteiligung: Die lokale Bevölkerung sollte frühzeitig über Vorhaben informiert werden. Je größer der Gestaltungsspielraum eines Projekts, desto umfassender können Anrainer beteiligt werden.
  • Zielgruppengerechte Ansprache: CCS muss verständlich erklärt werden. Technische Fachsprache ist zu vermeiden – stattdessen braucht es klare, adressatengerechte Formate auf Augenhöhe.
  • Ehrliche und transparente Kommunikation: Wer das Gefühl hat, nicht die ganze Wahrheit zu erfahren, wird misstrauisch. Kommunikation muss Risiken benennen und nachvollziehbare Antworten bieten, wie diesen begegnet wird.
  • Rückendeckung endet nicht mit der Bundespolitik: Für den Projekterfolg ist es entscheidend, frühzeitig alle relevanten Akteure bis hin zur kommunalen Ebene einzubeziehen.

Fazit: Akzeptanz braucht Dialog, nicht nur Gesetze

CCS wird in Deutschland nur dann eine Chance haben, wenn Bürgerinnen und Bürger vor Ort kommunikativ mitgenommen und einbezogen werden. Wer aus den Fehlern der Vergangenheit lernt, kann diesmal vieles besser machen.