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08 | 2022Ingo Seeligmüller

Kommunikation und Beteiligung bei der Kommunalen Wärmeplanung

<h1>Kommunikation und Beteiligung bei der Kommunalen Wärmeplanung</h1>

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung sieht vor, sich für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung einzusetzen. Jetzt gewinnt das Vorhaben konkrete Konturen. Nachdem der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck Anfang Juni angekündigt hatte, noch in diesem Jahr alle Kommunen dazu zu verpflichten, eine individuelle Wärmeplanung zu entwerfen und diese umzusetzen, lieferte er am 28. Juli 2022 ein Diskussionspapier und lud Länder, Kommunen und interessierte Stakeholder ein, bis zum 22. August 2022 Stellungnahmen und Anregungen hierzu abzugeben. Voraussichtlich im September 2022 ist eine Länder- und Stakeholder-Konsultation vorgesehen, auf der das Diskussionspapier mit Vertretern der Länder, Kommunen und Verbände diskutiert wird. Noch innerhalb dieses Jahres soll dann ein neues Gesetz folgen.

Die wesentlichen Aussagen des Eckpunktepapiers

Die insbesondere aus unserer Perspektive wichtigsten Aussagen des Diskussionspapiers lauten kurz zusammengefasst wie folgt:

  • Der Bund soll die Länder verpflichten, eine Wärmeplanung in ihrem Hoheitsgebiet durchzuführen. Die Länder wiederum sollen diese Verpflichtung an Kommunen ab einer Größe von ca. 10.000-20.000 Einwohnern delegieren.
  • Die Wärmepläne haben in ihrer Innen- und Außenwirkung ein hohes Maß an rechtlicher Verbindlichkeit. Sie werden zum zentralen Steuerungsinstrument für die Wärmewende vor Ort und müssen spätestens innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes erstellt werden.
  • Die zu erstellenden Wärmepläne bestehen aus einer Bestandsanalyse, einer Potenzialanalyse, Zielszenarien und einer Handlungsstrategie. Sie werden durch einen Beschluss des Gemeinderates unter Beteiligung der Öffentlichkeit vervollständigt. 

Habeck begründet die Notwendigkeit eines so gestalteten Bundesgesetzes maßgeblich mit drei Argumenten:

Erstens bedarf es einer deutlichen Beschleunigung der Reduzierung von Treibhausgasen, die ohne Wärmeplanung die Klimaziele verfehlen wird. Etwa die Hälfte der Endenergie fließt in die Beheizung von Wohnräumen, der Warmwasserbereitung und Prozesswärme der Industrie. Da im Gegensatz zu Strom und Gas Wärme fast vollständig in räumlicher Nähe erzeugt und verbraucht wird, müsse die Wärmewende unausweichlich auch lokal stattfinden.

Zweitens müsse man verhindern, dass der kommunale Wettbewerb denjenigen Kommunen einen Vorteil gewährt, die sich zu Lasten der Gesellschaft nicht ausreichend um einen Klimaschutz bemühen. Ein Bundesgesetz schafft eine allgemeine Pflicht, vor der sich keine größere Gemeinde drücken kann.

Drittens soll das neue Gesetz nicht die Vorteile unseres föderalen Systems übergehen. Statt einer zentralistischen Mittelvorgabe beschränkt man sich deshalb auf einen gesetzlichen Rahmen, der Freiraum für angepasste kommunale Lösungen lässt. Die Möglichkeiten, Einschränkungen und Voraussetzungen sind von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Was in der einen beispielsweise durch die Wärmeabgabe großer Industrieanlagen möglich ist, kann bei einer anderen durch gute Bedingungen für Geothermie geleistet werden.

Akzeptanz für eine notwendige Opferbereitschaft

Soweit so gut. Mit einem Gesetz allein – das weiß auch Habeck – ist es aber noch nicht getan. Die Umsetzung, auf die es letztendlich ankommt, wird nur dann nachhaltig funktionieren, wenn die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie Stakeholder die Relevanz des Gesetzes erkennen, sich resonant einbringen und die jeweiligen Maßnahmen auch dann noch akzeptieren, wenn sie ihnen zunächst Opfer abverlangen. Und Opfer werden unvermeidbar sein, daran lässt auch Habeck in seiner offenen Kommunikation keinen Zweifel.

So wird etwa kein Weg daran vorbeiführen, dass die Wende in der kommunalen Wärmeversorgung zunächst ein deutlich höheres Kostenniveau mit sich bringen wird. Sie erfordert hohe Investitionen, nicht nur bei der Energieerzeugung, sondern auch in die notwendige Umgestaltung und Ausbau der dazugehörigen Infrastruktur sowie in die Endverbraucherausstattung. Wer allerdings die Augen vor der Realität nicht verschließen will, darf trotz aller Opferbereitschaft nicht vergessen, dass Teile der Bevölkerung kaum finanzielle Spielräume haben. Die Wärmewende muss deshalb sozialverträglich gestaltet werden. Alles andere wäre unsolidarisch, würde den sozialen Frieden erheblich stören und die Realisierung letztendlich massiv gefährden.

Aufklären und Vertrauen schaffen

Damit kommt auf die Kommunen und deren kommunale Versorger viel Arbeit zu. Sie betrifft nicht zuletzt eine gute und anspruchsvolle Koordination mit den Akteuren und Stakeholdern sowie zwischen den zuständigen Referaten der öffentlichen Verwaltungen. Die Wärmewende ist komplex und erfordert gut abgestimmte Maßnahmen, die vom Straßenbau bis zum Indoor-Ausbau reichen. So ist es beispielsweise wichtig, in die Pläne zur Stadtentwicklung zukünftig auch die Wärmeplanung zu integrieren. Evaluierungen der vorteilhaften kommunalen Potenziale müssen vorgeschaltet und die Innovationskraft und Expertise der einschlägigen Privatwirtschaft genutzt werden. Ebenso unabkömmlich ist die Integration von Wohnungsbaugenossenschaften und kommerzieller Immobilienkonzerne, die eine entsprechende Umstellung in den Häusern vornehmen müssen.

Öffentlichkeit frühzeitig und strukturiert beteiligen

Das Diskussionspapier weist explizit auf eine „frühzeitige und strukturierte Beteiligung betroffener Akteure und insbesondere der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen vor Ort“ hin. Hierdurch könnten „Fachwissen, Lösungsvorschläge und Bedenken eingesammelt und im Zuge der Planerstellung berücksichtigt werden.“ Eine hinreichende Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen, ist wichtiger denn je. Innerhalb der notwendigen Bürgerbeteiligung kann es - im Gegensatz zu vielen anderen Bauvorhaben - jetzt allerdings weniger um eine Partizipation an Entscheidungen gehen, als vielmehr um die Vermittlung der gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeit, die sich sowohl aus dem Klimaschutz als auch der Versorgungssicherheit ergibt. Die Entscheidungen, was wie realisiert werden kann, wird maßgeblich von den komplexen technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten bestimmt. Diese müssen mit verstärktem Engagement den Bürgerinnen und Bürgern intensiver als bisher erklärt werden. Wer keinerlei Vorstellung von dem hochkomplexen Energiesystem besitzt, wird die Maßnahmen kaum nachvollziehen können.

Die Akteure der kommunalen Wärmewende bekommen damit die Aufgabe, sowohl für mehr Systemverständnis unter der Bevölkerung zu sorgen als auch um deren Vertrauen in die zuständigen Instanzen zu werben. Besonders geeignet hierfür sind interaktive Formate. Hierdurch kann das Verständnis für die komplexen Zusammenhänge und Lösungsansätze geschärft, in offenen Diskussionen Verschwörungsnarrativen entgegengewirkt und das notwendige Vertrauen aufgebaut werden.

Die Umsetzung braucht eine professionelle Kommunikation

Die kommunale Wärmewende ist ein umfangreiches Vorhaben, bei dem viele Prozesse miteinander verzahnt werden müssen. Die dafür unverzichtbare Kommunikation aller Beteiligten und Betroffenen bedarf einer professionellen, gut durchdachten Vorbereitung sowie einer glaubwürdigen Durchführung der Partizipationsverfahren. Obwohl mittlerweile einige Kommunen erste Erfahrungen mit Kommunikationsprozessen und Beteiligungsverfahren gesammelt haben, werden die bisherigen Kapazitäten und Budgets nicht ausreichen, um der Mammutaufgabe angemessen begegnen zu können.


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