Gut geschätzt ist halb gewonnen? Über die geschätzte und die tatsächliche Zustimmung zu Klimaschutzmaßnahmen
Die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf Erneuerbare Energien braucht Akzeptanz und Unterstützung in der breiten Bevölkerung. Demokratische Parteien sind wiederum auf die Stimmen der Wähler angewiesen, die sie nicht überfordern wollen, um sie nicht zu verlieren. Solange angenommen wird, dass die Mehrheit der Bevölkerung dem Klimaschutz eher negativ gegenübersteht, bremst das die Politik in den notwendigen Maßnahmen aus.
In den Medien und im politischen Diskurs wird immer wieder behauptet, dass die Klimaschutzmaßnahmen den meisten Bürgerinnen und Bürgern zu weit gingen. Das hat Suggestionsqualität. Der Mensch neigt dazu, solche Behauptungen als Tatsache abzuspeichern und lässt sich indessen Folge von der angeblichen Mehrheitsmeinung leicht beeinflussen. Doch es liegen zu den schnell dahingesagten Behauptungen bislang nur wenige belastbare und vertrauenswürdige empirische Daten vor. Um Licht ins Dunkel zu bringen, führt das Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) - im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Kopernikus-Projekts Ariadne – seit 2017 das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer (SNB) durch.
Diskrepanz zwischen Einschätzung und tatsächlicher Zustimmung
Ergebnis der neuen hochaktuellen Studie ist eine erhebliche Diskrepanz zwischen der jeweiligen Schätzung der Befragten und der kumulierten tatsächlichen Befürwortung der Bevölkerung. Für den Ausbau von Windkraft- und Solarstromanlagen auf Freiflächen im eigenen Wohnumfeld gehen die Zahlen am deutlichsten auseinander: Während die Befragten glauben, dass die Befürwortung der Bevölkerung für den Windausbau vor Ort in Gesamtdeutschland durchschnittlich bei nur einem Drittel (32 %) liegt, ist es tatsächlich weit mehr als die Hälfte (59 %). Bei Solarstromanlagen auf Freiflächen im Wohnumfeld fallen die geschätzten 48 % ebenfalls deutlich hinter den wirklichen Zustimmungswert von 73 % zurück. Das Nachhaltigkeitsbarometer zeigt zudem über all die Jahre eine stabile grundsätzliche Zustimmung zur Energiewende von Dreiviertel der Bevölkerung.
Die in den Medien und im öffentlichen Diskurs vielfach angenommene und behauptete Ablehnung der Bevölkerung hätten – so die Autoren – negative Effekte auf den Klimaschutz selbst: „Systematische Fehleinschätzungen der öffentlichen Meinung (sogenannte pluralistische Ignoranz) zur Klimapolitik“, heißt es in der Studie. Sie können „dazu führen, dass Betroffene ihre eigenen Anstrengungen für den Klimaschutz verringern und weniger offen für ihre politischen Vorstellungen eintreten.“ Das Schweigen der Mehrheit führt in dieser Lesart quasi zu einer Sich-selbst-erfüllenden-Prophezeiung. Die Zahlen der neuen Studie zeigen, dass die Mehrheit tatsächlich anders denkt, als häufig angenommen und behauptet. Doch sie kommt in den hitzigen Diskussionen offenbar nicht ausreichend zu Wort. Eine Behauptung, die nicht auf die Schnelle durch einen Faktencheck widerlegt und richtiggestellt werden kann, ist zudem für jeden Populisten ein gefundenes Fressen. Mit der vorgelegten Studie könnte sich das ändern.
Das Problem der Umsetzung
Natürlich gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, in welcher Art und Weise die Transformation geschehen sollte. Doch die Zielsetzung ist spätestens nach dieser Studie nicht mehr infrage zu stellen. Die mehrheitliche Bereitschaft der Bevölkerung, Erneuerbare Energien massiv auszubauen, ist da. Es kann gewiss nicht gelingen, die für den Ausbau notwendigen Zugeständnisse gleichmäßig auf alle Anlieger und Kommunen zu verteilen. Hier muss man an die gesamtgesellschaftliche Verantwortung der Betroffenen appellieren. Während das früher mit autoritäreren Methoden und einer obrigkeitshörigen Bevölkerung gelöst wurde, muss heute mehr denn je auf Einsicht gesetzt werden. Gut und ehrlich geführte Dialogveranstaltungen können dazu beitragen, das Verantwortungsgefühl für das Gemeinwohl zu stärken und überlaute Sonderinteressen zugunsten einer leisen Mehrheit zurückzudrängen.
Zur Studie: Soziales Nachhaltigkeitsbarometer 2023
Dialog & Beteiligung
Viele Stakeholder verbalisieren gegenüber Projektverantwortlichen immer öfter Ihren Anspruch gehört oder sogar eingebunden zu werden. Setzen Sie in Ihrer Kommunikation daher aktiv auf Dialog- und Beteiligungsangebote und minimieren Sie Widerstände.
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