NQ-Studie: Bürgerbeteiligung aus kommunaler Sicht - „hochgeschätzt und doch gefürchtet“
- Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern deutscher Kommunen sehen hohen Stellewert von Bürgerbeteiligung für Demokratie und Gemeinwohl
- „Konsultation“ der Bürgerinnen und Bürgern steht im Vordergrund – größere Kommunen lassen eher „mitentscheiden“
- Ostdeutsche Kommunen haben weniger Erfahrung mit Bürgerbeteiligung
- Fehlende strukturelle, finanzielle und personelle Ausstattung der Verwaltung führt zu qualitativen Einbußen und ist Hemmnis für Beteiligungsangebote
Informelle Bürgerbeteiligung genießt bei den zuständigen Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern deutscher Kommunen einen hohen Stellenwert. Dabei hat die Kommunengröße und Ausstattung der Verwaltung erheblichen Einfluss auf Relevanz, Akzeptanz und Selbstverständlichkeit informeller Bürgerbeteiligungsangebote.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuellen Studie der Beratungsunternehmen NeulandQuartier und pollytix. Die Studienteilnehmer, Verwaltungsmitarbeiter von Kommunen mit einer Größe über 20.000 Einwohnern, die schwerpunktmäßig mit dem Thema Bürgerbeteiligung befasst sind, wurden im Zeitraum August bis Dezember 2017 befragt. An der Online-Befragung mit anschließenden qualitativen Tiefeninterviews nahmen insgesamt 124 Kommunen (97 West, 27 Ost) teil.[1]
Rund 90 Prozent der befragten Kommunen bieten informelle Bürgerbeteiligungsverfahren an. Große Kommunen mit über 100.000 Einwohnern, die regelmäßig Beteiligungsangebote realisieren, haben in der Regel speziell zuständige und ausgestattete Abteilungen mit zentralen Ansprechpartnern etabliert. Sie profitieren häufig von einer besser ausgebauten, zentralen Verwaltungsinfrastruktur mit entsprechendem personellen und finanziellen Puffer und einem höheren Grad an Arbeitsteilung. Vertreter größerer Kommunen gaben des Weiteren an, dass die Vielzahl unterschiedlicher Anspruchsgruppen mit je eigenen Interessen die Verfahren für die Kommunen tendenziell unübersichtlicher macht.
Dabei haben Bürgerbeteiligungsverfahren vor allem eine konsultative Funktion: Neben der reinen Informationsfunktion geht es vor allem darum, sich Rat von den Bürgerinnen und Bürgern einzuholen. Im Durchschnitt führen die befragten Kommunen 7,7 Beteiligungsverfahren pro Jahr durch. Nur 16 Prozent der Studienteilnehmer, insbesondere aus größeren Kommunen geben an, dass in ihren Kommunen die Bürgerschaft bei Beteiligungsverfahren in der Regel auch mitentscheiden können.
Mit über 90 Prozent wurden die meisten informellen Beteiligungsverfahren im Bereich Stadt- und Regionalentwicklung (91%) durchgeführt. Es folgten die Bereiche Kinder- und Jugendarbeit (68%), Infrastruktur (63%), ÖPNV (54%) sowie Bildung/Kultur (51%). Dabei dienen die Beteiligungsverfahren zum einen der Qualitätssteigerung von politischem Verwaltungshandeln, da Bürgerinnen und Bürger einer Kommune zusätzliche Expertise und neue Perspektiven zu Planungsvorhaben einbringen können. Zum anderen schafft Bürgerbeteiligung, Transparenz und Bürgernähe und erhöht so die Akzeptanz kommunaler Projekte, was dabei helfe, Konflikten und Widerständen präventiv entgegenzuwirken.
Ostdeutsche Kommunen haben in der Regel später damit begonnen, ihre Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen. So haben rund ein Drittel der Ostkommunen weniger als fünf Jahre Erfahrung mit informellen Beteiligungsverfahren. Befragte, die sowohl zwischen alten und neuen Bundesländern vergleichen konnten, gaben an, dass sich die Bereitschaft nach wie vor regional stark unterscheidet.
Festzuhalten bleibt, dass sich das Selbstbild der Verwaltung nach Aussagen der Studienteilnehmer in den letzten Jahren gewandelt hat und mehr Beteiligungsverfahren ermöglicht. Die politische Kultur und somit das Verhältnis zwischen Bürgerschaft und Verwaltungsakteuren befindet sich im Wandel. Man kann davon ausgehen, dass Bürgerbeteiligungsverfahren in der Verwaltung bekannter und als selbstverständlicher wahrgenommen werden. Ob diese Einschätzung auch die Bürgerschaft teilt, muss allerdings offenbleiben.
[1] Die vorliegende Stichprobe ist durch Selbstselektion der teilgenommenen Kommunen sowie eine geringe Fallzahl verzerrt und kann nicht als repräsentativ für alle Kommunen in Deutschland gelten.
Download der vollständigen Studie
KOMMUNAL: Wie steht es um die Bürgerbeteiligung in Deutschlands Kommunen?
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