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08 | 2024Katharina Wolbergs

Gesellschaftliche Akzeptanz und Wahrnehmung von Umweltpolitik – Wie kann eine zielgruppengerechte Vermittlung gelingen?

<h1>Gesellschaftliche Akzeptanz und Wahrnehmung von Umweltpolitik – Wie kann eine zielgruppengerechte Vermittlung gelingen?</h1>

Die Forschungsagentur pollytix hat in einer kürzlich erschienenen Studie Überzeugungen und Verhaltensweisen hinsichtlich Umwelt- und Naturschutzpolitik in der Bevölkerung untersucht. Über eine Laufzeit von zwei Jahren wurde mithilfe quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden analysiert, wie einzelne Bevölkerungsgruppen die aktuelle Umweltpolitik wahrnehmen, welche Themen sie selbst für wichtig erachten und wie sie ihre eigenen Handlungsspielräume bewerten. Aus diesen Ergebnissen wurden einige Handlungsempfehlungen für eine gelungene, zielgruppengerechte Kommunikation abgeleitet.

Wer ist „die Bevölkerung“?

Oftmals wird die Bevölkerung für eine nähere Untersuchung nach Alter, Geschlecht oder sozioökonomischen Ressourcen unterteilt, um Schlüsse über die Verhaltensweisen der jeweiligen Gruppe zu ziehen. Um jedoch ein möglichst präzises Bild der Überzeugungen zum Umwelt- und Naturschutz zu erhalten, wurde in dieser Studie die Bevölkerung in sechs Segmente aufgeteilt, die unterschiedliche Herangehens- und Denkweisen zur Umweltpolitik aufweisen und daher eine unterschiedliche Ansprache brauchen. Dies erfolgte anhand der beiden Achsen „Problembewusstsein“ für Umwelt- und Klimaschutz und individueller „Ressourcenausstattung“. Zu dieser Ressourcenausstattung wurden sowohl finanzielle, zeitliche und kognitive Ressourcen ermittelt, um die Segmentierung vornehmen zu können. Die Forschenden betonen, dass es sich bei diesen Segmenten nicht um „starre Konstrukte“ handelt, was vor allem daran liegt, dass sich Einstellungen und Überzeugungen (Achse „Problembewusstsein“) verändern können.

Klimabewusstseins- und AnsprachesegmenteKlimabewusstseins- und Ansprachesegmente

Krisenmüdigkeit und Vertrauensverluste

Die Studie lief von Anfang 2022 bis Ende des Jahren 2023, daher mag es kaum verwundern, dass die Forschenden insbesondere zu Beginn der Laufzeit aufgrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine eine negative Grundstimmung in der Bevölkerung ausmachten. Die Studienteilnehmenden sahen als sicher geltende Güter wie Frieden und innere oder äußere Sicherheit bedroht. Auch wenn über die Laufzeit der Studie der Ukrainekrieg eher in den Hintergrund rückte, bleibt bei fast allen Teilnehmenden, also allen Segmenten, der Blick auf die Zukunft geprägt von Unsicherheiten, Abstiegsängsten und einer regelrechten Krisenmüdigkeit. Diese Krisenmüdigkeit geht einher mit einem geringen Vertrauen in die Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit der Politik und Demokratie. Die Bereitschaft zur Transformation ist gering, vor allem da viele Bürger*innen generell den Eindruck haben, die Politik mute ihnen zu viel zu.

Migration verdrängt Klima- und Umweltthemen als größte Herausforderung in der Wahrnehmung der Deutschen

Über den Verlauf der Studie ist eine interessante Verschiebung der wahrgenommenen Gewichtung der größten Herausforderungen für Deutschland in den nächsten Jahrzehnten zu erkennen. Haben im Oktober 2022 noch 40% der Teilnehmenden „Klima- und Umweltthemen“ als größte Herausforderung angesehen, ist diese Zahl auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebung 2019 auf 29% im Oktober 2023 gefallen. Gleichzeitig hat das Thema „Migration“ deutlich an Relevanz gewonnen und landete zum letzten Erhebungszeitpunkt auf dem ersten Platz der wichtigsten Zukunftsthemen.

Herausforderung_ZeitreiheGrößte zukünftige Herausforderung für Deutschland – Zeitreihe

Auch wenn „Klima- und Umwelt“ nicht mehr als wichtigstes Thema deklariert werden, sind Umwelt und Natur positiv in der Wahrnehmung der Bevölkerung besetzt, bspw. geprägt durch alltägliche Freizeitaktivitäten in der Natur. Ansichten dazu, wie und ob Maßnahmen des Umwelt- und Naturschutzes aufrechterhalten werden können oder sollen, divergieren stark zwischen den einzelnen Segmenten. „Ideologisch Skeptische“ und „Ambivalent Zweifelnde“ machen einen eher geringen Problemdruck aus, warnen vor Alarmismus, haben wenig Transformationswillen und sehen die Verantwortung eher beim Einzelnen. „Kostenbewusste Pragmatische“ und „Prekäre Überzeugte“ sehen vor allem die Wirtschaft und Industrie in der Verantwortung und fordern ein klares politisches Eingreifen.  Dies sehen die „Aktivierbaren Optimistischen“ und „Progressiv Ungeduldigen“ ähnlich und fordern verbindliche Regelungen, da sie eine drastische Verschlechterung des Umweltzustands wahrnehmen.

Empfehlungen für die Kommunikation

Grundsätzlich stellen die Forschenden fest, dass die Studienteilnehmenden nicht zwischen Klimaschutz und Umwelt- und Naturschutz trennen, weswegen sich eine negative Wahrnehmung von Klimaschutzmaßnahmen auf die Wahrnehmung von Umweltschutzmaßnahmen auswirkt. Dies äußert sich durch die Wiederholung von Argumenten gegen Umweltschutzmaßnahmen, die schon aus dem Klimadiskurs bekannt sind, wie der Sorge vor persönlichen Einschränkungen, einem Absinken des Wohlstands oder auch der Mehrbelastung für einkommensschwache Menschen. Die Forschenden raten dazu, in der Kommunikation an den schon positiv besetzten Raum „Umwelt und Natur“ durch Freizeitaktivitäten anzuknüpfen. Durch eine positive Erzählung der „Umwelt und Natur als Mehrwert“ werden mehr Bürger*innen erreicht als durch die Beschreibung der Krisenlage. So wird vermieden, an die bereits bestehende Krisenmüdigkeit anzuschließen. Zudem raten die Forschenden dazu, auf Fachsprache wie z. B.  „CO2-Senken“, „natürlicher Klimaschutz“ oder „Biodiversität“ zu verzichten, kein Vorwissen vorauszusetzen, sondern durch eine niedrigschwellige Sprache möglichst breit medial aufzuklären und zu informieren.

Weiterführende Informationen:

Die Studie "Gesellschaftliche Akzeptanz und Wahrnehmung von Umweltpolitik – Segmentspezifische Analysen", die die Agentur pollytix strategic research GmbH im Auftrag des BMUV durchgeführt hat, finden Sie hier als Download.

Bildquellen: Alle Grafiken im Blogbeitrag sind der Studie entnommen.