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11 | 2022Theresa Wagner

Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung bei Bauprojekten: Ist mehr weniger?

<h1>Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung bei Bauprojekten: Ist mehr weniger? </h1>

Seien wir ehrlich: Das Wort „frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung“ lässt Stadtplaner, Vorhabenträger oder Projektentwickler bei der Baulandentwicklung und der Bauplanung hin und wieder innerlich zusammenzucken, denn oft ruft das Thema auf Planungs- und Steuerungsseite unbeliebte Assoziationen hervor: Präsentationstermine in einer Vielzahl an Gemeinden oder 10-teilige Bürger:innenwerkstätten sowie der damit einhergehende Abstimmungs- und Planungsaufwand. Unbeliebt sind diese meist nicht aufgrund der Tatsache, dass es um Bürgerbeteiligung geht, sondern vielmehr deshalb, weil sie den Ruf haben, zusätzlich zu langwierigen bürokratischen Prozessen und Genehmigungsverfahren zu erheblichen Verzögerungen im meist ohnehin schon knapp bemessenen Zeitplan des jeweiligen Projekts zu führen. Wir im NeulandQuartier haben in der langjährigen Arbeit mit unseren Kunden gelernt, dass Befürchtungen wie diese mehr als unbegründet sind – im Gegenteil.

Mehr oder weniger geregelt

Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei der Baulandentwicklung bzw. bei Bauprojekten im Allgemeinen ist zwar im Baugesetzbuch geregelt. Jedoch lassen Formulierungen wie „Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig […] zu unterrichten.“, zugegebenermaßen einen gewissen Interpretationsspielraum im Hinblick auf die praktische Anwendung offen. Dort hat sich eine Unterscheidung zwischen formeller und informeller Beteiligung etabliert. Somit stehen sich das, was laut Gesetz getan werden muss, wie die Abstimmung mit den Trägern öffentlicher Belange (TÖBs) oder die öffentliche Auslegung von Planungsunterlagen, und das, was darüber hinaus wünschenswert wäre, gegenüber. Dabei bietet insbesondere der Bereich der informellen Beteiligung in Ergänzung zur formellen Beteiligung eine Möglichkeit, die Planungs- und Genehmigungsphasen von Bauprojekten zügig und erfolgreich über die Bühne zu bringen.

Besser früh als spät? 

Die Liste an Bauvorhaben, deren Planer ihre Rechnung ohne die Bürgerinnen und Bürger bzw. ohne die Öffentlichkeit gemacht haben und entweder gescheitert oder nach einer jahrelangen Welle von Klagen durch Anrainer und Initiativen große zeitliche und monetäre Verluste verzeichnen mussten, ist lang. Hier kann eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung einen großen, wenn nicht sogar den entscheidenden Unterschied machen. Denn je früher die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger vor Ort im Planungsprozess berücksichtigt werden können, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, sich nach Abschluss der Planungen wütenden Bürgerinitiativen gegenüber zu finden. Doch lohnt es sich wirklich, die Öffentlichkeit so früh wie möglich zu beteiligen? Worüber sollen die Bürgerinnen und Bürger denn kurz nach Beginn des Projekts abstimmen? In der Tat gibt es das Paradoxon, dass zu Beginn eines Projekts die Einflussmöglichkeiten für die Öffentlichkeit aufgrund des frühen Planungsstandes am höchsten sind. Je weiter die Planungen und die rechtlichen Verfahren fortschreiten, desto kleiner werden die Entscheidungsspielräume einer Beteiligung.

Die richtigen Fragen zur richtigen Zeit

Es stellt sich also die Frage: Was kann frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung leisten und was nicht? Und wie muss sie ablaufen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen? Hier gilt es, sich im Vorfeld ganz klar bewusst zu machen, dass eine gelungene Bürgerbeteiligung keine politischen Entscheidungen der eben genau dafür zuständigen gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten ersetzen kann – hier gilt das Primat der Politik. Was frühzeitige Beteiligung jedoch herstellen kann, ist das, womit wir uns im NeulandQuartier Tag ein Tag aus beschäftigen: Akzeptanz. Ihre Pläne für eine Baulandentwicklung oder für Ihr Bauvorhaben können so auf eine breite legitimatorische Basis gestellt werden, die nicht zuletzt auch Eingang in die politischen Entscheidungen findet. Unsere Erfahrung zeigt, dass Beteiligung und Projektkommunikation oftmals nicht die Priorisierung durch Vorhabenträger erfahren, wie eigentlich nötig. Daher empfehlen wir, diese ebenso sorgfältig und detailliert zu planen, wie alle anderen Bereiche des Projekts auch. Dabei spielt Transparenz eine zentrale Rolle für den gesamten Prozess. Nicht nur im Projektverlauf zum Beispiel in Form einer Webseite, der alle erfolgten und geplanten Beteiligungs- und Planungsschritte zu entnehmen sind, sondern bereits von Beginn an: Zunächst gilt es dabei zu klären, wer auf welche Weise und vor allem in welchem Umfang (Information, Konsultation oder Kooperation) beteiligt werden soll. Der nächste Schritt ist die Durchführung einer Umfeld-Themen- und Stakeholderanalyse. Hier gilt es alle Akteure, Gruppen, Verbände, Vereine, Organisationen usw. zu identifizieren, die in irgendeiner Form durch das geplante Vorhaben berührt werden und nachzuvollziehen, wer welche Positionen und Standpunkte vertritt und wer dabei die wichtigen Multiplikatoren sind. Ist dies geschehen, kommt der wichtigste Teil: Die Entwicklung eines Beteiligungskonzeptes, welches festlegt, mit welchen Stakeholdergruppen zu welchem Zeitpunkt und in welchem zielgruppengerechten Format der Austausch erfolgen soll. Abschließend sollte das Konzept für eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung auch mit den zu beteiligenden Akteuren abgestimmt und besprochen werden. So wird nicht nur ein gemeinsames Verständnis über Gegenstand und Umfang der Beteiligung, sondern auch eine solide legitimatorische Grundlage für den weiteren Prozess geschaffen.

Vier wichtige Schritte vor der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung

Ist mehr weniger?

Auch wenn Sie somit sehr gute Ausgangsbedingungen für Ihren informellen Beteiligungsprozess geschaffen haben, ist Ihnen der Erfolg damit nicht automatisch garantiert. Die meisten Untiefen sind hier jedoch mit einem geschickten Beteiligungsmanagement gut zu umschiffen. Nun bleibt jedoch noch immer die Frage im Raum: Wozu das alles? Wozu zusätzliche informelle Beteiligung, wenn man auch mit formeller Beteiligung leben kann? Die Antwort darauf ist einfach: Tun Sie mehr als laut Gesetz nötig, da Sie sich somit zu einem späteren Zeitpunkt ein Vielfaches an Arbeit ersparen können. Egal wie aufwändig die Planung einer guten frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung ausfällt, sie wird im Endeffekt nur ein Bruchteil so groß sein wie der Aufwand, eine aufgebrachte Öffentlichkeit wieder einzufangen. Denn eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung ist ein Dialog und ein Austausch und somit immer leichter zu begleiten als eine Mediation oder Schlichtung. Somit können Sie selbst den Takt angeben, anstatt als getriebener der Gegner Ihres Projekts ständig reagieren zu müssen. Gleichzeitig bleibt der zu zahlende Preis verhältnismäßig gering und kontrollierbar. Der VDI empfiehlt, ca. ein Prozent des gesamten Projektvolumens in Kommunikation zu investieren – im Hinblick auf das Ergebnis eine gute Investition. Somit ist bei uns im NeulandQuartier bereits seit Langem klar: Mehr ist manchmal einfach weniger.

Weiterführende Informationen:

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat: Erfolgreiche Ansätze für mehr Neubauakzeptanz - Handreichung, April 2021