Digitale Interessenvertretung: Public Affairs im Wandel
„Gesetze sind wie Würste – man will nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden.“ Otto von Bismarck wird dieser Ausspruch gerne in den Mund gelegt. Doch auch wenn sich die Zitatforschung darüber uneins ist, ob Bismarck die Legislative im Kaiserreich tatsächlich mit der Wurstfabrikation verglichen haben soll – eins bleibt dabei bemerkenswert aktuell: Auch in unserer modernen parlamentarischen Demokratie ist der gesetzgebende Prozess und damit einer der zentralen Orte der Demokratie, für viele Bürgerinnen und Bürger undurchsichtig, „störanfällig“ und einer, bei dem man nicht weiß, wer da eigentlich alles so mitmischt. Lobbyismus ist zum Kampfbegriff avanciert und – da liegt wohl der Bruch mit Bismarck – man wäre heute wohl eher gerne dabei, wenn Gesetze „gemacht“ werden. Das Wissen darum, welcher Verband, welche Organisation oder Unternehmen möglicherweise auf einen Gesetzgebungsprozess Einfluss nimmt, ist zweifelsohne ein Reizthema. Damit ist auch der Begriff des Lobbyismus für die meisten mit negativer Einflussnahme auf die Politik und die Gesetzgebung verbunden. Die aktuelle Diskussion um ein verbindliches Lobbyregister macht dabei deutlich, dass eine immer informierte Gesellschaft wissen will, wer da Einfluss auf die Politik und Gesetzgebung nimmt. Ein berechtigtest und legitimes Interesse. Fakt ist aber auch: Damit gesellschaftliche Anliegen und Interessen gegenüber politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern formuliert und diskutiert werden können, müssen diese organisiert werden. Die Zeiten der Kaminzimmergespräche scheinen dabei weitgehend vorbei. Auch politische Interessenvertretung organisiert sich zunehmend im digitalen Raum und besonders das vergangene Jahr wirkte hier mit den pandemiebedingten Veranstaltungsabsagen und Kontaktbeschränkungen nochmal als Verstärker. Daraus ergeben sich Möglichkeiten, wie gesellschaftliche Interessen niedrigschwelliger, effektiver und auch transparenter in die Politik getragen werden können.
Neue Formate in der digitalen Interessenvertretung
Digitaler Lobbyismus ist kein neues Phänomen. Mit Twitter hat sich in den vergangenen Jahren ein Kanal etabliert, auf dem auch die politische Kommunikation ein zentrales Feld einnimmt. Rund 60% der aktuell 630 Mitglieder des Bundestages nutzen den Kurznachrichtendienst. Das Netzwerk aus Entscheidungsträgerinnen, Journalisten und der breiten Öffentlichkeit bietet dabei schon länger ein Ort, an dem auch Verbände oder Organisationen ihre politischen Interessen äußern und diese proaktiv an die Abgeordneten herantragen können. Die Reichweite kann dabei sehr hoch, der Effekt aufgrund der hohen Nachrichtenfrequenz und der Dynamik vom Twitter aber auch gering sein. In der „klassischen“ Interessenvertretung wird es daher – wenn überhaupt – als ergänzendes Tool angewendet.
Doch auch diese „klassische“ Interessenvertretung steckt im Wandel. Während die Organisation und Planung einer Präsenzveranstaltung im Rahmen von strategischer politischer Kommunikation einen erheblichen Raum einnimmt, kann im digitalen Format wesentlich agiler und dynamischer aufgetreten werden. Worauf es bei Online-Veranstaltungen grundsätzlich ankommt, haben wir in einem Beitrag bereits diskutiert. Unsere Erfahrungen im Bereich der Public Affairs wollen wir hier noch einmal zusammenfassen.
Dank Digital - flexiblere Terminierung & schnellere Reaktionszeit
Besonders bei der Terminfindung mit politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern zeigen sich digitale Vorteile. Bei vollen Terminkalendern und engen Zeitfenstern der Abgeordneten bedarf es eines langen Vorlaufs und verhältnismäßig viel Koordination, um alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Digitale Termine können auch außerhalb parlamentarischer Sitzungswochen geplant werden und bieten damit ein hohes Maß an Flexibilität. Dahingehend entfallen bei einer Onlineveranstaltung natürlich auch Reiseaufwand und -kosten. Auch wenn Gespräche mit Abgeordneten bisher überwiegend im parlamentarischen Umfeld stattgefunden haben: Der niedrigschwellige Zugang aus dem Büro oder der heimischen Küche ist nicht zu unterschätzen.
Politische Entscheidungsfindungsprozesse sind immer dynamisch angelegt und bearbeiten im Regelfall ein Thema mit aktueller gesellschaftlicher Relevanz. Besonders hier zeigen sich die Vorteile von der Möglichkeit der digitaler Interessenformulierung. Im Grundsatz sollten alle Akteure und ihre Anliegen zwar nach Möglichkeit immer von Anfang an in einen politischen Entscheidungsprozess mit einbezogen werden, nicht selten kommt es aber auch darauf an, angemessen und schnell reagieren zu können. Die Suche nach dem persönlichen Gespräch ist dabei im Grunde löblich – aus der schon besprochenen Zeit- und Terminperspektive der Abgeordneten aber oft zu langwierig. Hier kann ein Onlinetermin wertvolle Zeit gut machen und aktiv neue Handlungsspielräume aufzeigen. Dem eigenen Standpunkt im politischen Entscheidungsprozess kann damit zügig und effektiv Gehör verschafft werden.
Content bleibt King – Neben der Form den Inhalt nicht vergessen
Durch die verstärkte Nutzung von Onlinetools und -formaten auch in der politischen Interessenvertretung werden die transportieren Inhalte zwar diverser und vielfältiger aber – zumindest aus Sicht der politischen Entscheidungsträger – sicher auch ein Stück weit beliebiger. Beim Platzieren der eigenen Inhalte sollte daher darauf geachtet werden, die Kernbotschaften und den eigenen Standpunkt möglichst prominent zu platzieren. Denn bei einer Onlineveranstaltung bleibt meist selten die Zeit, das Thema bei Kaffee und Brötchen noch einmal umfassender und persönlich zu besprechen. Ist eine Onlineveranstaltung auf eine Stunde angesetzt, wird auch erwartet, in einer Stunde alles Wesentliche zu sagen. Eine gut strukturierte Präsentation mit klaren Zielaussagen ist damit elementar für einen gelingendes Onlinegespräch.
Digitale Formate in den Public Affairs sind keine pandemiebedingten Übergangslösungen. Das persönliche Gespräch und der Austausch während eines parlamentarischen Frühstücks hat zweifelsohne nicht an Wert verloren und wird dies auch nicht. Unsere Erfahrungen aber zeigen: Komplementär gedacht bietet das Onlineformat in der politischen Interessenvertretung einen echten Gewinn an und kann zielgerichtet und passgenau den politischen Dialog suchen, finden und umsetzen.